„Kreativiert euch!“ Mit diesem Buchtipp eröffnete Nico Gundlach seinen feurigen Speech vor den Gästen des Fachverbandes der Werbefachleute im beeindruckenden Puntay Keller der Kellerei Kaltern. Der junge Topredner aus den Reihen der 100 Excellent Speaker Deutschland zog ein zahlreiches und interessiertes Publikum aus der Werbe-,Tourismus, Architektur,- und Dienstleistungsbranche an. Die Besucher waren der Einladung zum sommerlichen Impulsreferat „Ideen – Währung der Zukunft“ im Rahmen der Vollversammlung des TARGET– Fachverbandes der Werbetreibenden gefolgt und wurden in ihren Erwartungen mehr als übertroffen.

Für eine knappe Stunde lang bannte Nico Gundlach alle Augen und Ohren auf sich. Er war nach Südtirol gereist, um über die Kreativpotenziale zu referieren, die in allen Unternehmen schlummern und nur wachgerüttelt bzw. wahrgenommen und richtig gebahnt werden wollen. „Kreativität heißt nicht, dass man jeden Bleistift neu erfinden muss. Im Gegenteil, 90 % aller Markenauftritte sind Kombinationen von Ideen, die es bereits gibt“, plauderte Nico Gundlach aus seiner beruflichen Praxis als Experte für Markeninszenierung. „Die Grundvoraussetzung für Kreativität liegt in einer aufmerksamen Beobachtung der Bedürfnisstruktur eines Kunden und des Marktes.“ Also in der intensiven Auseinandersetzung und Einbindung des Kunden in der Startphase.

Anhand von vier Strategien umriss Nico Gundlach die gängigsten Möglichkeiten für Positionierung am Markt durch Disruption:

 

  1. ERSTER SEIN: Das ist oft schlichtweg nicht mehr möglich.
  2. SCHNELLSTER SEIN: Das gelingt oft entweder über Geschwindigkeit oder über Technologie z.B. schneller anbieten, schneller zum Resultat kommen. Beobachten, wo liegen die Schwachpunkte der Branche und hier ansetzen, um das eigene Angebot zu perfektionieren, oder Kombinationen von Leistungen in Betracht zu ziehen.
  3. BESTER SEIN: Kompetenz ist selten ein echtes Differenzierungskriterium. Fachliche Kompetenz setzt der Kunde voraus. In der Markenbildung wird Kompetenz viel mehr über Begeisterung und Vermittlung festgemacht.
  4. ANDERS SEIN: Diese Chance hat jeder. Hier liegt nach Nico Gundlach das große Potenzial für Kreativität!

Entspannung ist der Schlüssel zur Kreativität.

In vielen Unternehmen wirken aber sehr hartnäckige Kreativitätsbremsen und Entspannung ist alles eher als gut angesehen. Auf zwei geläufige Kreativitätskiller ging Nico Gundlach näher ein und servierte im Anschluss daran auch handfeste Strategien, um diese Bremsen zu entkräften:

Fehlende Fehlerkultur > Lernkultur

Gundlachs Erfahrungen haben gezeigt, dass Unternehmer die meisten Herausforderungen über Fachkompetenz zu lösen suchen. „Doch es gibt noch mehr! Die richtig geilen Ideen sind außerhalb der ausgetretenen Denkpfade zu sehen. Ein Unternehmer muss sich also der Frage stellen: ‚Wie wird in meinem Unternehmen mit Fehlerkultur umgegangen? Was ist, wenn ich richtig in die Scheiße trete?‘ Fehlertabus sind die größten Kreativitätskiller! Spannend wird es hingegen dann, wenn wir über eine Fehlerkultur zu einer Lernkultur kommen. Fazit: Lieber eine falsche Entscheidung als keine,“ … und Gundlach erzählte auch gleich, wie er selbst schon einmal so richtig bei einer Markenpräsentation auf die Nase gefallen ist.

Verfahrener Fokus > Biosoziation

„Wer zu viel denkt, verschenkt! Wenn ich im Entspannungsmodus bin, kann ich Dinge miteinander in Verbindung bringen, die man normalerweise nicht zusammenbringt. Dies nennt man Biosoziation (Die kreative Verknüpfung von Begriffen, Bildern oder Vorstellungen aus unterschiedlichen begrifflichen Bezugsrahmen.) Dadurch entstehen kreative Ideen.“ Gundlach tauscht verbissene Kopflastigkeit in seinem Unternehmen gegen mentale Zerstreuung als Rezept für Lösungsfindung und rät zu gezielten Auszeiten. Etwa mit aufmerksamkeitsstreuenden Tätigkeiten oder Ritualen, die nichts mit der Arbeitsroutine zu tun haben, z. B. Eis oder Bier für die ganze Belegschaft einkaufen. Wichtig ist dabei, dass immer zwei Personen gemeinsam diese Tätigkeit ausführen.

BEACHTET DIE 24-36-STUNDEN-REGEL!

„Sie besagt, dass unser Gehirn die Information zu den Fragestellungen / Herausforderungen / Themen, für die Lösungen gesucht werden, bereits 24 bis 36 Stunden vorher haben muss. Denn in dieser Zeit halten wir unsere Antennen offen, verarbeiten Erfahrungen und verknüpfen neue Zusammenhänge unbewusst miteinander. Wer diese Regel einhält, wird feststellten, dass Kreativitätsmeetings, bei denen alle Beteiligten 24-36 Stunden vorher die Info über das Thema erhalten haben, zu 80 % effizienter ausfallen“, berichtet Nico Gundlach, der diese Regel strikt befolgt.

KREATIVITÄT IST EIN PROZESS!

Dies ist in den Augen Nico Gundlachs eine der wichtigsten Erkenntnisse und Botschaften an Unternehmen: „Macht in der Lösungsfindung lieber mehrere kleine Schritte als einen großen Marathon! Denn das Gehirn arbeitet in den Zwischenpausen weiter und hält die Sender auf Empfang.“

 

MACHT KREATIVITÄT ÖFFENTLICH!

„Kreativität vermehrt sich, indem man sie teilt.

Macht Ideen im Unternehmen öffentlich, macht Herausforderungen und Fragenstellungen öffentlich: z. B. hängt ein Blatt Papier mit der Fragestellung an eine Wand, wo sich die Mitarbeiter entspannt aufhalten. So kommt ihr an Kreativitätsressourcen, die ihr nicht auf konventionellem Weg erreichen könnt. Denn alle denken (unbewusst) mit.“

 

SCHAFFT EIN INSPIRIERENDES UMFELD!

Horizontale Architektur unterstützt kreative Prozesse. Laut Nico Gundlach werden 30 % unserer Gedanken über das Raum-Bonding beeinflusst. „Es ist nicht egal, in welchem Raum ihr arbeitet. Es ist nicht egal, mit welchem Material ihr arbeitet. Macht Dinge anders. Unser Gehirn liebt groß und bunt. Sorgt dafür, dass euer Raum so wenig wie möglich nach Schule aussieht“, riet Nico Gundlach eingehend und erzählte davon, wie sein Unternehmen mit unerwartet gestalteten Arbeitsbereichen die Kunden irritiert und aus der Reserve lockt.

 

ERFINDET INSPIRATIVE EVENT-FORMATE!

„Fragt euch immer wieder: Wo habe ich am meisten gelernt? Über Verstehen oder Erleben? Verstehen ist nur der Trostpreis. Erleben ist der Hauptgewinn!“

In Gundlachs Unternehmen wird z. B. einmal im Monat ein 45-minütiges „Break Fast“ abhalten. Dabei hat jeder im Team 5 Minuten Redezeit und erzählt, woran er grade arbeitet oder stockt. Das Thema wird einfach nur ausgesprochen. Die andern hören zu, ohne gleich eine Lösung aus dem Ärmel zaubern zu müssen. Auch gesellige Momente im Team fördern die Kreativitätsbereitschaft.

 

DURCHBRECHT DAS MENTALE KONZEPT!

 „Wer irritiert, der inspiriert! Diese Haltung kann man sensationell in das Tagesgeschäft einbauen. Sorgt dafür, dass Abläufe nicht nach erwarteten Standards ablaufen, sonst geht der Autopilot los. Stellt dem Kunden lieber zum Einstieg Fragen, auf die er nicht vorbereitet ist. Frag ihn zum Beispiel: ‚Was weiß niemand über dich?‘ So kommen die Gehirnzellen in Schwung und ihr entdeckt Kompetenzen am Kunden, die ihr auf gewohntem Wege nicht herausgefunden hättet.“

Irritieren kann man sich übrigens auch selbst. Diese Übung der 365-Tage-Challenge riet Nico Gundlach allen, die Lust haben, ihre eigenen Kreativitätsressourcen wachzuküssen, indem sie jeden Morgen eine Sache komplett anders machen als gewohnt, und zwar so, wie sie sie in ihrem Leben noch nie gemacht haben. (z. B. Zähneputzen auf einem Bein stehend, oder Kaffeetrinken aus dem Weinglas …) Dadurch schafft das Gehirn neue Verbindungen und bleibt offen für Neues. „Wenn ihr viele Dinge zum ersten Mal erlebt habt, gibt euch das ein völlig anders Lebensgefühl. Macht solche Übungen auch mit dem Kunden, brecht aus der Komfortzone aus. So kommen ganz andere Gehirnbereiche ins Spiel.“

Strategien auf dem Weg zu Entspannung, im Überblick:

  • Aufmerksamkeit streuen / gemeinsame Rituale einführen
  • 24-36-Regel beachten
  • Ideen teilen
  • Inspirierendes Umfeld schaffen
  • Irritierende Fragen stellen
  • Komfortzone verlassen
  • Kreativitätsübungen einbinden

Der BOLT-Prozess

Ist die Grundvoraussetzung Entspannung erst einmal hergestellt, kann der eigentliche Kreativitätsprozess losgehen. Nico Gundlach nannte ihn BOLT-Prozess (beschreiben, organisieren, lösen, testen) und umriss ihn wie folgt:

 

  1. B > BESCHREIBE DAS PROBLEM
    Stelle eine Frage und nimm auch immer ein großes, faszinierendes Bild dazu. Bilder sind wesentlich! Bevor die Frage nicht ganz klar definiert ist, kann der Kreativitätsprozess nicht losgehen. Über Bilder kommt der Prozess in Gang. Also formuliere eine Frage und male ein Bild.
  2. O > ORGANISATION, TEAM UND METHODIK
    Das Team, die Methoden und die Fragestellung müssen 24 bis 36 Stunden vorher bekannt sein.
  3.  L > LÖSUNGSPROZESS
    Trenne die Ideenentwicklung von der Bewertung und halte dich an den C.O.H., den „Code of Honor“. Damit beschreibt Gundlach eine Phase, in der man nicht kritisieren darf. Wenn jemand in seinem Unternehmen gegen diese Regel verstößt, gibt es einen Unterhaltungspreis für alle. (z.B. für alle singen, musizieren, tanzen, Liegestützen machen, in die Kasse einzahlen etc.). Das gilt übrigens auch für seine Kunden. Danach erst beginnt die Phase, in der die Ideen bewertet und auf Originalität und Machbarkeit geprüft werden.
  4. T > TESTPHASE
    Nehmt euch die Zeit zum Ausprobieren, Fehler machen, Testen, Feilen, …

Natürlich durften spezielle Kreativübungen auch am Abend im Puntay Keller in Kaltern nicht fehlen, was die Besucher sichtlich überraschte und amüsierte. Der Team-Kreativität-Experte Nico Gundlach gründete 2002 seine Kreativagentur „neue formen“ und implementiert bis heute mit seinen Geschäftspartnern mehr als 10.000 Leitideen für die Inszenierung von Marken. Zudem ist er einer der Gründer der weltweit ersten trainingsbasierten Ideen-Plattform für Dialoganlässe und beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Erforschung von „kreativen Feldern“ in Unternehmen.

Das Impulsreferat von Nico Gundlach war ein voller Erfolg für TARGET. Bei einem Glas Wein, originellen veganen Genusshäppchen und angeregten Gesprächen klang die Convention des hds-Werbefachverbandes erst in den späten Abendstunden aus. TARGET-Präsident Arnold Malfertheiner und das Team des Vorstandes nahmen die Aufforderung der Teilnehmer gerne entgegen, Initiativen wie diese zu wiederholen.